VW-Dieselskandal vor dem Oberlandesgericht Köln – Pech für den Vertragshändler

Der VW-Abgas-Skandal oder Diesel-Abgasskandal ist in aller Munde und beschäftigt seit geraumer Zeit auch die Gerichte.

Mittlerweile erreichen die Klagen auch die Berufungsgerichte – unter Anderem das Oberlandesgericht Köln.

Das Oberlandesgericht Köln hat nun in einem Berufungsverfahren eines Autohändlers gegen eine Entscheidung des Landgerichts Aachen1 in einem Hinweisbeschluss dem Autohändler empfohlen, die Berufung zurückzunehmen.

Worum ging es?

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Gebrauchtwagen im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgasskandal.

Am 15.06.2015 kaufte die Klägerin für private Zwecke einen Pkw VW Beetle Design TDI, dessen Erstzulassung im Jahr 2013 erfolgt war. Die Klägerin bezahlte für das Fahrzeug, das beim Kauf eine Laufleistung von 11.949 km hatte, 14.990,- EUR in bar und erhielt den Pkw am 18.06.2015.

Das Fahrzeug ist mit einem von VW hergestellten 1,6-Liter-Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, der eine Leistung von 77 KW hat. Die vom Hersteller für den Motor vorgesehene und auch in dem von der Klägerin erworbenen Pkw eingesetzte Motorsteuerung sieht hinsichtlich der Abgasrückführung zwei Betriebsmodi vor, und zwar einen hinsichtlich des Stickstoffausstoßes optimierten Betriebsmodus 1 mit einer verhältnismäßig hohen Abgasrückführungsrate sowie einen hinsichtlich des Partikel-Ausstoßes optimierten Betriebsmodus 0 mit einer erheblich geringeren Abgasrückführungsrate vor. Dabei vermag die Motorsteuerung zu erkennen, ob das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte eingesetzt wird oder ob es im Straßenverkehr betrieben wird, und schaltet bei einer Prüfung der Emissionen auf dem Prüfstand in den Modus 1. Auf diese Art und Weise wird sichergestellt, dass bei der Prüfung der betreffenden Fahrzeuge nach den gesetzlich vorgesehenen Maßgaben der Euro-5-Abgasnorm geringere Stickoxid-Emissionen gemessen werden und dementsprechend die Stickoxid-Grenzwerte im Laborbetrieb eingehalten werden. Dagegen schaltet die Motorsteuerung in den Modus 0, wenn das Fahrzeug im Straßenverkehr eingesetzt wird.

Das Kraftfahrzeug-Bundesamt erlegte dem Hersteller VW nach dem Bekanntwerden der vorstehenden Manipulation auf, die entsprechende Software aus den Fahrzeugen zu entfernen und gab in der folgenden Zeit sukzessive Software-Updates für eine Vielzahl verschiedener Fahrzeug- und Motoren-Typen des Herstellers VW frei. In der Zwischenzeit verzichtete das Kraftfahrt-Bundesamt darauf, die EG-Typengenehmigung zu widerrufen.

Unter dem 03.10.2015 informierte der Hersteller die Klägerin darüber, dass der von ihr erworbene Pkw mit der oben geschilderten Software zur Manipulation des Stickoxid-Ausstoßes versehen war und verwies sie an ihren Volkswagen-Partner, der schnellstmöglich auf sie zukommen und sie über alle notwendigen Maßnahmen informieren werde. Die Details ergeben sich aus der der Klageschrift als Anlage beigefügten Ablichtung der betreffenden Nachricht.

Daraufhin wandte sich die Klägerin mit einem Schreiben vom 15.10.2015 an die Beklagte und rügte verschiedene Mängel, darunter auch die Ausstattung des Pkw mit der manipulativen Software. Für die Beseitigung der Mängel setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist von zwei Wochen und drohte für den Fall eines fruchtlosen Verstreichens der Frist den Rücktritt vom Kaufvertrag an. Mit einem weiteren Schreiben, nunmehr verfasst unter dem 24.10.2015, setzte die Klägerin der Beklagten eine weitere Frist zur Nachbesserung, und zwar bis zum 08.11.2015. Die Klägerin ging dabei auch auf eine Ankündigung des Herstellers über eine Software-Nachbesserung frühestens im September 2016 ein, teilte mit, dass ihr diese lange Wartezeit nicht zumutbar sei, bat aber für den Fall um einen schriftlichen Hinweis, dass die gesetzte Frist zu kurz bemessen sei. Erneut drohte die Klägerin schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag an und behielt sich ferner die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen vor.

Nachdem die Beklagte auf die vorstehenden Schreiben nicht geantwortet hatte, erklärte die Klägerin mit einem Schreiben vom 01.12.2015 den Rücktritt vom Kaufvertrag, verlangte Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz bestimmter frustrierter Aufwendungen im Zusammenhang mit Ausstattungsgegenständen für den Pkw abzüglich eines Betrages als Ersatz für die gezogenen Nutzungen. Insgesamt verlangte die Klägerin Zahlung von 16.615,- EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des oben erwähnten Fahrzeugs bis zum 10.12.2015. Auch insofern wird wegen der Einzelheiten auf die der Klageschrift beigefügte Ablichtung des betreffenden Schreibens Bezug genommen.

Die Beklagte lehnte dies ab und bot der Klägerin lediglich an, den mit der manipulativen Software zu Motorsteuerung versehenen Pkw gegen ein gleichwertiges, mit einem Benzin-Motor ausgestattetes Fahrzeug zu tauschen. Die Klägerin sollte dafür außerdem einen Aufpreis zahlen.

Die notwendige Änderung der in dem Pkw der Klägerin zur Manipulation des Stickoxid-Ausstoßes eingesetzten Motorsteuerungs-Software konnte auch im September 2016 noch nicht erfolgen, sondern das Kraftfahrt-Bundesamt genehmigte erst am 15. Dezember 2016 die nach Auffassung des Herstellers erforderlichen technischen Maßnahmen für Fahrzeuge des Typs VW Beetle mit dem 1,6l-TDI-Motor der Baureihe EA 189.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, dass der von der Beklagten erworbene Pkw u.a. wegen der eingesetzten Manipulations-Software von Beginn an mangelhaft gewesen sei. Sie hat in diesem Zusammenhang behauptet, eine Nachbesserung sei mit dem angebotenen Software-Update nicht möglich, weil hiermit weder die vereinbarten Verbrauchswerte noch die Grenzwerte der betreffenden Schadstoffklasse eingehalten werden könnten.

Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass das Fahrzeug allein wegen der eingesetzten Manipulations-Software nicht mangelhaft sei, jedenfalls aber kein erheblicher Mangel vorliege, weil das Problem mit sehr geringem Aufwand behoben werden könne, nämlich durch ein Software-Update innerhalb von 30 bis 60 Minuten.

Das Landgericht Aachen hat zu den Fragen der vorhandenen Zusatzausstattung des Pkw und ihres Wertes Beweis erhoben, indem es ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt hat. Das Ergebnis der Beweiserhebung ergibt sich aus dem betreffenden Gutachten.

Mit seinem Urteil hat das Landgericht Aachen der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 15.794,73 EUR nebst Zinsen seit dem 05.02.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des seitens der Klägerin von der Beklagten erworbenen Pkw VW Beetle Design TDI1.

Das Oberlandesgericht hat in seinem Hinweisbeschluss mitgeteilt, dass die Berufung der Beklagten offensichtlich unbegründet im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO ist, weil eine andere, für die Beklagte günstigere Entscheidung auch mit Rücksicht auf den Sach- und Streitstand im zweiten Rechtszug unter keinem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt, sondern das Landgericht Aachen der Klage zu Recht und ohne Rechtsfehler gemäß § 513 Abs. 1 ZPO in dem zuerkannten Umfang stattgegeben hat.

Das seitens der Klägerin von der Beklagten erworbene Fahrzeug VW Beetle Design TDI leidet allein durch die auch nach den eigenen Angaben des Herstellers in dem konkreten Fahrzeug zur Steuerung des eingebauten 1,6l-TDI-Motors der Baureihe EA 189 eingesetzte Software, die für den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand einen hinsichtlich geringer Stickoxid-Emissionen optimierten Betriebsmodus sowie eine Erkennung des Prüf-Betriebes und eine Umschaltung in den optimierten Betriebsmodus vorsieht, an einem Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Denn für die übliche Beschaffenheit im Sinne der vorgenannten Bestimmung und für diejenige Beschaffenheit, die ein Käufer erwarten kann, kommt es auf die objektiv berechtigten Käufererwartungen an2, also auf den Horizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers. Der vernünftige Durchschnittskäufer muss, wenn er ein für den Betrieb im Straßenverkehr vorgesehenes Fahrzeug erwirbt, davon ausgehen, dass das betreffende Fahrzeug entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist. Dementsprechend muss er ferner nicht nur davon ausgehen, dass das Fahrzeug die technischen und die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt, sondern er muss auch annehmen, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt hat.

Zum einen kann nämlich der Käufer gesetzeskonformes Verhalten der Hersteller und aller übrigen Beteiligten erwarten, und das gilt auch dann, wenn seitens eines oder mehrerer Hersteller in so großer Zahl rechtswidrig manipuliert wird, dass im Ergebnis die Anzahl der durch Täuschung erwirkten diejenige der rechtmäßig zustande gekommenen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen übersteigt. Denn solange die Manipulation heimlich vorgenommen werden und solange die für den Betrieb eines Pkw im Straßenverkehr erforderlichen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen durch entsprechende Täuschungen erwirkt werden, kann dies keinen Einfluss auf die Erwartungen des Durchschnittskäufers haben. Allenfalls nach dem Bekanntwerden bestimmter Manipulationen kann und muss er eventuell damit rechnen, dass ein bestimmter Hersteller bestimmte Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen durch Manipulationen erwirkt hat.

Zum anderen erstrecken sich die berechtigten Erwartungen eines vernünftigen durchschnittlichen Käufers sehr wohl auf die Erwirkung aller letztendlich für den Betriebs des erworbenen Fahrzeugs im Straßenverkehr erforderlichen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen, mag der Käufer sich auch bis zum Bekanntwerden von Manipulationen keine konkreten Vorstellungen von den einzelnen technischen Einrichtungen, rechtlichen Voraussetzungen und Zulassungs- bzw. Genehmigungsverfahren gemacht haben. Denn eine Täuschung in dem für den erlaubten Betrieb und die Zulassung des Fahrzeugs bedeutsamen Bereich gefährdet auch aus der Sicht eine vernünftigen Durchschnittskäufers eventuell die für seine Nutzung des Pkw im Straßenverkehr maßgebende Zulassung. Darüber hinaus hat sie für ihn auch insofern unabsehbare Folgen, als er die Folgen für den Verkehrs- und Wiederverkaufswert seines Fahrzeuges im Falle eines Bekanntwerdens der Manipulation nicht sicher zu prognostizieren vermag und ihm deshalb erhebliche finanzielle Einbußen zu drohen scheinen, die er mit dem Erwerb eines anderen Fahrzeugs vermeiden könnte.

Hier hatte die Klägerin das Fahrzeug entsprechend den Angaben im ausgefüllten Bestellungsformular sowie in der Rechnung am 15.06.2015 gekauft, während die Mitteilung des Herstellers über die Verwendung der Manipulations-Software in dem erworbenen Pkw vom 03.10.2015 stammt. Dementsprechend durfte und musste die Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrages noch davon ausgehen, dass sich der Hersteller rechtmäßig verhalten und die für den Betrieb ihres Pkw sowie für die Zulassung desselben erforderlichen Zulassungen, Genehmigungen und Erlaubnisse nicht durch Täuschung und nicht unter Anwendung einer Manipulations-Software erwirkt hatte. Da dies tatsächlich aber nicht der Fall war und in dem von der Klägerin erworbenen Pkw vom Hersteller eine Manipulations-Software eingesetzt worden war, wies das Fahrzeug nicht die übliche Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf.

Demgegenüber kommt es für die Mangelhaftigkeit des erworbenen Pkw als solche weder darauf an, ob das Fahrzeug die maßgebenden Grenzwerte insbesondere der Euro-5-Abgasnorm hinsichtlich der Stickoxid-Ausstoßes auch ohne die betreffende Manipulations-Software einzuhalten vermag, noch steht der Annahme eines Sachmangels im vorgenannten Sinn entgegen, dass der Betrieb des erworbenen Pkw im realen Straßenverkehr nicht mit dem Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand zu vergleichen ist und die für die Einhaltung der Euro-5-Norm im Prüfbetrieb maßgebenden Einzelheiten für den gewöhnlichen Fahrbetrieb nicht nur hinsichtlich der Emissionen, sondern auch im Zusammenhang mit dem Kraftstoffverbrauch und den Fahrleistungen bedeutungslos sein mögen. Denn all dies ändert nichts daran, dass das Fahrzeug durch die verwendete Manipulations-Software in seiner Beschaffenheit von der von einem vernünftigen Durchschnittskäufer zu erwartenden Beschaffenheit eines solchen Fahrzeugs abwich und dass die Abweichung einen auch für den vernünftigen Durchschnittskäufer bedeutsamen Gesichtspunkt betraf.

Zu Recht hat das Landgericht Aachen, so das Oberlandesgericht Köln, auch eine Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB sowie einen unerheblichen Sachmangel bei Gefahrübergang verneint.

So mag es zwar richtig sein, dass das zur Beseitigung des Mangels erforderliche Ersetzen der Manipulations-Software durch die vom Kraftfahrt-Bundesamt geprüfte und zugelassene, neu entwickelte Software lediglich einen zeitlichen Aufwand von ca. einer Stunde sowie Kosten von ca. 100,- EUR verursacht.

Darüber hinaus ist aber zu berücksichtigen, dass die notwendige Software nicht zur Verfügung stand, als die vom Hersteller zu verantwortende, flächendeckende Täuschung und der Einsatz der Manipulations-Software entdeckt wurden und als die Klägerin wiederholt Nachbesserung verlangte. Erst recht war eine geeignete Software nicht schon vom Kraftfahrt-Bundesamt geprüft und genehmigt worden. Demnach stand weder bei Gefahrübergang, noch zu dem Zeitpunkt der Entdeckung des Mangels, noch zur Zeit der beiden Nachbesserungsverlangen, noch zum Zeitpunkt des Rücktritts fest, mit welchem sachlichen und finanziellen Aufwand es gelingen würde, den Mangel in einer auch von dem für die Zulassung bedeutsamen Kraftfahrt-Bundesamt genehmigten Art und Weise zu beheben. Ebenso wenig stand fest, dass und wann dies überhaupt gelingen würde. Das ergibt sich auch aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten. Denn danach war am 15.10.2015 lediglich ein vom Hersteller vorgelegter Zeit- und Maßnahmenplan vom Kraftfahrt-Bundesamt im Wege einer nachträglichen Nebenbestimmung zur Typengenehmigung für verbindlich erklärt worden und hatte der Hersteller einer weiteren Auflage des Kraftfahrt-Bundesamtes folgend bis zum 25.11.2015 lediglich eine generelle Lösung zur Beseitigung der Manipulation vorgelegt. Dass dabei bzw. in der Zeit bis zur Rücktrittserklärung auch das für die Beseitigung des Sachmangels an dem Fahrzeug der Klägerin erforderliche Software-Update vorgelegt und genehmigt worden wäre, trägt die Beklagte nicht vor und würde auch dem unstreitigen weiteren Hergang insofern widersprechen, als das Ersetzen der Manipulations-Software und Aufspielen des erforderlichen Software-Updates letztlich erst nach der Freigabe des Software-Updates durch das Kraftfahrt-Bundesamt am 15.12.2016 geschehen konnte. Demnach war selbst zu dem Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin weder der genaue zeitliche und sachliche Aufwand klar, den die Nachbesserung erfordern würde, noch stand fest, dass die vom Hersteller angekündigte Nachbesserung im Wege eines bloßen Software-Updates überhaupt gelingen und zur Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes führen würde. Schon mit Rücksicht auf diese ganz erhebliche Ungewissheit kann von einer unerheblichen Pflichtverletzung oder von einem unerheblichen Sachmangel bei Gefahrübergang mit Blick auf die möglichen Folgen für die Klägerin nicht die Rede sein und greift auch keine Vermutung zugunsten der Beklagten ein.

Hinzu kommt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, dass der Klägerin im Falle einer Anwendung des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB für einen unabsehbaren Zeitraum das keineswegs fern liegende Risiko einer Insolvenz sowohl des Herstellers, der über die für eine eventuell mögliche Behebung des Sachmangels erforderlichen technischen Daten verfügte, als auch der Beklagten übertragen würde. Weil der Hersteller VW einer kaum überschaubaren Anzahl von Ansprüchen geschädigter Kunden und Händler in der ganzen Welt ausgesetzt war und ist und weil die Beklagte als Vertragshändlerin mit einer nicht unerheblichen Zahl von Inanspruchnahme kraft Gewährleistung rechnen muss, deren Weitergabe an den letztlich verantwortlichen Hersteller keineswegs stets und vollumfänglich binnen kurzer Frist gelingen muss, bestand für Käufer wie die Klägerin das nicht zu vernachlässigende Risiko, dass sie infolge einer zwischenzeitlichen Insolvenz des Herstellers und wegen des Unvermögens der Beklagten als bloßer Vertragshändlerin, das Software-Problem selbst zu lösen und eine notwendige Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt zu erwirken, oder wegen einer Insolvenz auch der Beklagten letztendlich ein Fahrzeug würde behalten müssen, dessen Zulassung zum Betrieb im Straßenverkehr in Frage stand. Auch deshalb kann von einer Unerheblichkeit des vorliegenden Sachmangels nicht die Rede sein.

Demgegenüber kommt dem Umstand, dass die Beklagte selbst den Sachmangel weder im Sinne eines Verschuldens zu verantworten hat, noch überhaupt von ihm beim Gefahrübergang Kenntnis gehabt haben wird, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Vielmehr ist im Rahmen der bei der Frage nach der (Un-)Erheblichkeit eines Sachmangels anzustellenden Gesamtabwägung insofern zu berücksichtigen, dass die Beklagte als Vertragshändlerin in einer dauerhaften Vertragsbeziehung zu dem verantwortlichen Hersteller stand und steht und dass sie damit das Risiko einer Gewährleistungshaftung im Verhältnis zu den Kunden für Sachmängel, die sie selbst nicht verschuldet hat, in gewissem Umfang in Kauf genommen hat.

Vor diesem Hintergrund erscheint es – so das Oberlandesgericht Köln –  interessengerecht, eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zuzulassen und die Beklagte auf die Inanspruchnahme ihres Vertragspartners, des Herstellers VW, zu verweisen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts Aachen und erst recht entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung, hat die Klägerin der Beklagten auch gemäß § 323 Abs. 1 BGB eine objektiv angemessene Frist zu Nachbesserung gesetzt. Denn mögen für die Bemessung einer angemessenen Frist auch die Umstände des jeweiligen Einzelfalles maßgebend sein und mag dabei hier auch zu berücksichtigen sein, dass die Beklagte selbst weder für den Sachmangel im Sinne eines Verschuldens verantwortlich war, noch über die für seine Behebung maßgebenden Kenntnisse und Fertigkeiten verfügte, so ist doch von ausschlaggebender Bedeutung, dass die Frist zur Nachbesserung gemäß § 323 Abs. 1 BGB den Schuldner lediglich in die Lage versetzen soll, eine bereits vorbereitete Leistung zu vollenden. Dem Schuldner soll keineswegs ermöglicht werden, mit der Leistungsbewirkung erst zu beginnen3. Im vorliegenden Fall bedurfte es deshalb nach Meinung des Oberlandesgerichts Köln keiner langen Frist, die es dem Hersteller erlaubte eine bis dahin nicht vorhandene Software zu entwickeln, zu testen, vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigen zu lassen und den Vertragshändlern bereitzustellen, sondern die Klägerin durfte bei der Bemessung der Frist zunächst ihr eigenes Interesse an einer umgehenden Behebung des Mangels im Hinblick auf die mit einer längeren Frist verbundenen Unsicherheiten sowie mit Rücksicht auf die bis dahin eingeschränkte Veräußerbarkeit des Fahrzeugs zugrunde legen. Darüber hinaus musste sie die Frist so bemessen, dass der Beklagten die Rücksprache mit dem Hersteller und die Anforderung einer bereits vorhandenen und genehmigten Software möglich war.

Auf die Unsicherheit eines nicht absehbar langen Zuwartens musste sich die Klägerin selbst mit Rücksicht auf die zwischenzeitlich nicht eingeschränkte Nutzbarkeit des Pkw nicht einlassen, weil zum einen das Gelingen und der Zeitpunkt eines genehmigten Software-Updates nicht feststand und damit die für die Klägerin bedeutsame Zulassung sehr wohl weiter in Frage stand und weil zum anderen in der Zwischenzeit die Veräußerbarkeit des erworbenen Pkw sowie sein Verkehrswert in Frage stand. Zu diesem zuletzt genannten Umstand hat es schon deshalb keines weiteren Vortrages der Klägerin und keiner Beweisaufnahme seitens des Landgerichts Aachen bedurft, als es in der Natur der Sache liegt und allgemein bekannt ist, dass ein Pkw, dessen Zulassung auf dem Einsatz einer Manipulations-Software sowie einer entsprechenden Täuschung seitens des Herstellers beruht und dessen fortgesetzter Betrieb im Straßenverkehr der Entwicklung sowie des Einsatzes einer bis dahin noch nicht vorhandenen Software und der Freigabe der Software seitens des Kraftfahrzeug-Bundesamtes bedarf, am Fahrzeug-Markt schwerer absetzbar ist als ein Pkw, der keinen Unsicherheiten dieser Art ausgesetzt ist. Wollte die Beklagte anderes behaupten, müsste sie der letztlich in Frage stehenden Zulassung eines Fahrzeugs für den Betrieb im Straßenverkehr und den hierfür maßgebenden Faktoren jede Bedeutung für den Verkehrswert eines doch für den Betrieb im Straßenverkehr bestimmten Pkw absprechen.

Nach allem genügte nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln bereits die ersten zur Nachbesserung gesetzt Frist, jedenfalls aber die zweite Frist.

Keinen Bedenken unterliegen die Ausführungen des Landgerichts Aachen zu den nach § 347 Abs: 2 S. 2 BGB zu ersetzenden Verwendungen der Klägerin für ein Navigationssystem nebst Radioblenden sowie für ein abschließbares Handschuhfach. Dass es sich hierbei nicht um notwendige Verwendungen handelte, hat das Landgericht Aachen zutreffend ausgeführt, und stattdessen richtig auf eine entsprechende Bereicherung der Beklagten abgestellt, die es sodann im Anschluss an das eingeholte Gutachten gemäß § 287 ZPO in nicht zu beanstandender Art und Weise bestimmt hat. Die Beklagte verkennt bei ihrem Vorbringen bereits den rechtlichen Ausgangspunkt in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB und setzt sich unzutreffend mit § 347 Abs. 2 S. 1 BGB auseinander.

Da der Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, sondern sich in der Anwendung höchstrichterlich geklärter abstrakter Rechtssätze auf den vorliegenden Einzelfall erschöpft, da eine Divergenz zwar eventuell hinsichtlich der Subsumtionsergebnisse, nicht aber abstrakte Rechtssätze betreffend vorliegt, da es weder für § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO noch für § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO auf die Anzahl den Umständen nach vergleichbarer Fälle ankommt und da eine mündliche Verhandlung weder zur weiteren Aufklärung der Sache noch aus anderen Gründen geboten erscheint (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO), liegen hier auch die übrigen Voraussetzungen der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss im schriftlichen Verfahren vor – so das Oberlandesgericht Köln abschliessend.
Oberlandesgericht Köln, (Hinweis-) Beschluss vom 20.12.2017 – 18 U 112/17

ECLI:DE:OLGK:2017:1220.18U112.17.00

  1. LG Aachen, Urteil vom 07.07.2017 – 8 O 12/16 [] []
  2. BGH, Urteil vom 20.05.2009 – VIII ZR 191/07 []
  3. BGH, Urteil vom 10.02.1982 – VIII ZR 27/81 []

Sie sind derzeit offline!