Gegen den Willen des Klägers kann kein Klageverfahren ausgesetzt werden

Das Oberlandesgericht Köln hat aktuell entschieden, dass die Aussetzung eines Rechtsstreits im Hinblick auf einen anderen Rechtsstreit, bei dem es um dieselben Fragen geht („Musterverfahren“) in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO grundsätzlich nicht möglich ist. Dies gelte erst recht, nachdem der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage in § 148 Abs. 2 ZPO für derartige Fälle einen eng umgerenzten Aussetzungstatbestand geschaffen hat – so das Oberlandesgericht Köln.

In dem konkreten Fall ging es um die Entschädigung der Aktionäre im Zusammenhang mit der Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln können die klagenden Aktionäre nicht gezwungen werden, in der ersten Instanz auf den Ausgang eines „Musterverfahrens“ vor dem Oberlandesgericht Köln zu warten.

Hintergrund ist folgender:

Derzeit sind vor dem Oberlandesgericht Köln zwei Zivilrechtsstreite anhängig, die sich mit der Frage beschäftigen, ob und ggf. in welcher Höhe die Minderheitsaktionäre zu entschädigen sind. Weitere über 40 Verfahren mit häufig mehreren, teilweise über 100 Klägern sind in der ersten Instanz vor dem Landgericht Köln anhängig. In zahlreichen Verfahren haben sich die Parteien erstinstanzlich darauf geeinigt, den rechtskräftigen Ausgang des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Köln abzuwarten und so lange das Verfahren ruhend zu stellen. Das Landgericht hat daraufhin alle Verfahren zum Ruhen gebracht. Einige Kläger haben dagegen Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt.

Das Oberlandesgericht Köln hat nun entschieden, dass die erstinstanzlichen Verfahren nicht gegen den Willen der Kläger zum Ruhen gebracht werden können. Das Gesetz sehe keine entsprechende Möglichkeit vor. Insbesondere sei das Verfahren nicht „vorgreiflich“ im Sinne von § 148 ZPO, da nach geltendem Prozessrecht die Entscheidung der beim Banksenat anhängigen Verfahren keine rechtliche Bindungswirkung für die anderen Verfahren habe. Zwar dürfte es praktisch sinnvoll sein, den rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens abzuwarten, da wegen des gleich gelagerten Sachverhalts vieles dafür spreche, dass die Verfahren gleich zu entscheiden sein werden. Dies sei aber eine rein „faktische Vorgreiflichkeit“, die nicht unter § 148 ZPO falle.

Gegen eine Aussetzung spreche auch, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage mit Wirkung zum 01.11.2018 eine neue Regelung in § 148 Abs. 2 ZPO eingeführt habe. Diese sehe für einen eng umgrenzten Bereich eine Aussetzungsmöglichkeit im Hinblick auf anhängige Musterfeststellungsklagen bei „faktischer Vorgreiflichkeit“ für die Klagen von Unternehmen vor, die sich einer Musterfeststellungsklage nicht anschließen können, weil diese Möglichkeit nur Verbrauchern offensteht. Der Gesetzgeber habe also das Problem der Parallelität von Klagen mit einer „Musterklage“ ersichtlich gesehen, sich aber darauf beschränkt, nur für einen eng umgrenzten Bereich eine zusätzliche Aussetzungsmöglichkeit zu schaffen ‑ und dies auch nur im Interesse des jeweiligen Klägers und nicht etwa zur Schonung der „knappen Ressource Justiz“, so das Oberlandesgericht Köln. Daraus folge, dass die Gerichte keine darüberhinausgehende Aussetzungsmöglichkeit hätten.

Das Oberlandesgericht Köln hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

 

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 16.08.2018 – 4 W 34/18

ECLI:DE:OLGK:2018:0816.4W34.18.00

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