Die Klägerin war Passagierin an Bord des von der Beklagten, einer Fluggesellschaft, durchgeführten Fluges von München nach New York. Auf dem Flug, der um 12.25 Uhr in München startete, wurde der Klägerin ca. 90 Minuten vor der Landung ein Abendessen angeboten, das jedenfalls aus einer Steinpilzcremesuppe, abgefüllt in einer Porzellanschale, bestand. Die Sessel in der von der Klägerin gebuchten Business Class verfügen über ein festes Tablett, das aus einer Seitenlehne, im Fall der Klägerin aus der linken Armlehne, herausgeklappt werden kann. Die Suppenschale – deren Temperatur zwischen den Parteien streitig ist – wurde, wie üblich, auf einem Tablett mit Besteckrolle inkl. Löffel und fester Leinenserviette gereicht. Im Folgenden kam es sodann zu einem Zwischenfall – der genaue Hergang ist zwischen den Parteien streitig – infolgedessen sich die Suppe auf den oberen Brustbereich der Klägerin ergoss. Nach der Landung suchte die Klägerin eine Klinik auf. Bei der dortigen Behandlung wurden Verbrennungen zweiten Grades im Brustbereich diagnostiziert. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Verletzungsbild wird auf die Lichtbildaufnahmen verwiesen.
Die Klägerin behauptet, sie habe die Suppe außerhalb des normalen Turnus bestellt und erhalten. Sie habe beim Verzehr der Suppe eine aufrechte Sitzposition eingenommen. Sodann habe sie die Porzellanschale mit der linken Hand zum Verzehr angehoben, um mit der rechten Hand dann einen möglichst kurzen Weg von der Schüssel zum Mund zu haben. Als sie die Schüssel in Mundhöhe hochgehoben gehabt habe, sei der Schüsselrand so heiß gewesen, dass Sie, in einer Reflexbewegung, einen Ruck verursacht habe. Sie habe die Schüssel schnell absetzen wollen. Hierbei habe sich dann die heiße Suppenflüssigkeit auf ihren ,,Ausschnitt“ ergossen. Trotz Kleidungsteilen, die den Brustbereich bedeckt hätten, habe sich sofort ein brennender Schmerz gezeigt. Die Verbrennungen hätten sich schon an den Fingerkuppen, die die Suppenschüssel berührten, gezeigt. Die zu hohe Temperatur hätte den Servierkräften auch auffallen müssen, da sie schon vor dem Servieren die Suppenschüsseln auf die Temperatur hätten kontrollieren müssen. Sie sei aufgestanden und in den Toilettenbereich gegangen. Hier habe sie sich abgewaschen und die Suppenreste von der Kleidung entfernt. Sie habe dann nach kaltem Wasser bzw. Crusheis und einer Serviette verlangt. Hierbei habe es sich um eine Stoffserviette, die hätte feucht gemacht werden können, handeln sollen. Stattdessen habe man ihr, nach einiger Verzögerung, einen Becher mit Eiswürfeln und eine Papierserviette gebracht. Erst auf nochmaliges Verlangen sei dann eine Stoffserviette gebracht worden, sowie Crusheis, Sie habe dann weiterhin nach einer Brandsalbe gefragt. Die Stewardess habe ihr gesagt, man habe keine Brandsalbe an Bord. Das Flugpersonal habe auch keinen Arzt ausgerufen oder sonst Hilfe angeboten. Vor der Landung habe sie nach einer ärztlichen Versorgung nach der Landung verlangt. Eine Notversorgung am Gate sei verneint worden. Dies sei nicht möglich. Man habe ihr dann empfohlen, das Jamaika Hospital in New York aufzusuchen. Dies sei allerdings keine Spezialklinik für Verbrennungen. Insofern wäre diese Adresse für sie nicht geeignet gewesen. Sie habe sich dann, aufgrund eigener Erkundigungen, bei einer Spezialklinik für Verbrennungen gemeldet und sei dort – was unstreitig ist- behandelt worden.
Neben dem erlittenen Schmerz sei sie auch psychisch angeschlagen. Ferner habe sie diverse materielle Schäden erlitten, die sie noch nicht vollständig beziffern könne.
Die Klägerin erhob daraufhin Klage zum Landgericht Köln und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtlichen Schaden aus dem Schadensereignis bezüglich der erlittenen Verbrennungen im Brustbereich der Klägerin und der daraufhin erlittenen psychischen Folgen zu ersetzen.
Dei Beklagte war der Ansicht, die Klägerin müsse sich ein den Anspruch zu Fall bringendes Mitverschulden anrechnen lassen. Hierzu behauptet sie, Suppen würden vom jeweiligen Cateringbetrieb gefroren oder stark gekühlt angeliefert und kurz vor dem Servieren in einem Heißluftofen gemäß den Anweisungen des Caterers erwärmt. Dabei werde die Aufheizdauer so bemessen, dass eine zu hohe Temperatur vermieden werde, da anderenfalls der Geschmack verändert würde und es zudem nicht mehr möglich wäre, die Porzellanschalen anzufassen und auf den Tabletts zu platzieren. Genauso sei auch im vorliegenden Fall verfahren worden. Den Passagieren würden sämtliche Getränke und Speisen mit der gebotenen Sorgfalt angereicht und dazu gehöre auch, dass Suppenschüsseln nicht bis zum Rand gefüllt werden. Ein solches Vorgehen sei auch deshalb auszuschließen, weil es das Servieren an Bord erheblich erschweren und bei den Passagieren optisch einen unschönen Eindruck hinterlassen würde.Die Klägerin habe die Suppe nachdem diese ihr serviert worden sei, in einer stark zurückgeneigten Position zu sich genommen.
Die Entscheidung:
Der Klägerin steht der Schmerzensgeldanspruch nach Auffassung des Landgerichts Köln nicht zu.
Die aus Art. 21 iVm. Art. 17 des Montrealer Übereinkommens („MÜ“) folgende, verschuldensunabhängige Haftung der Beklagten scheitert an einem gemäß Art. 20 S. 1 MÜ anzunehmenden Mitverschulden der Klägerin, welches das Gericht mit einer Quote von 100% in Ansatz bringt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin gilt Art. 20 MÜ für alle Haftungsbestimmungen des Montrealer Übereinkommens, einschließlich des Art. 21 Abs. 1 MÜ, was sich ausdrücklich aus Art. 20 S. 3 MÜ ergibt.
Weist nach Art. 20 S. 1 MÜ der Luftfrachtführer nach, dass der Anspruchssteller den Schaden durch eine unrechtmäßige Handlung oder Unterlassung, sei es auch nur fahrlässig, selbst verursacht hat, so ist der Luftfrachtführer ganz oder teilweise von seiner Haftung gegenüber dieser Person insoweit befreit, als diese Handlung oder Unterlassung den Schaden verursacht hat. Die (unverbindliche) deutsche Fassung der Norm gibt den maßgeblichen englischen bzw. französischen Originaltext nur unzureichend wieder. In den verbindlichen Originalfassungen wird zuerst die Fahrlässigkeit genannt. Dieser wird sodann ein rechtswidriges bzw. unrechtmäßiges Handeln („negligence or other wrongful act“ bzw. „négligence ou un autre acte ou omission prejudiciable“) gleichgestellt. Daraus ergibt sich, dass das Handeln bzw. Unterlassen zumindest einem fahrlässigen Fehlverhalten entsprechen muss. Ein solches fahrlässiges Fehlverhalten ist anzunehmen, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird1. Dem entspricht dann auch weitgehend die Bedeutung von „negligence“ im anglo-amerikanischen Recht, die aus einem „failure to use ordinary care“ besteht2. Da die Vorschrift auf das Verschulden des Geschädigten selbst abstellt, verlangt sie indes keine vorwerfbare Verletzung einer gegenüber einem anderen bestehenden Leistungspflicht, sondern ein sog. „Verschulden gegen sich selbst“, d.h. die Verletzung einer im eigenen Interesse bestehenden Obliegenheit. Letztlich und der Sache nach gelangt man – so das Landgericht Köln – zu denselben Ergebnissen wie bei einer Anwendung von § 254 Abs. 1 BGB, wonach ein Mitverschulden des Geschädigten darin zu sehen ist, dass er unter Verstoß gegen Treu und Glauben diejenigen zumutbaren Maßnahmen unterlässt, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern3.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Verhalten der Klägerin nach Auffassung des Landgerichts Köln als ein solches „Verschulden gegen sich selbst“, mithin als (grob) fahrlässig, zu werten.
Die Darlegungs- und Beweislast für das Mitverschulden obliegt dabei dem Luftfrachtführer, mithin der Beklagten4.
Dass die Klägerin die Suppe in einer stark zurückgeneigten Position verzehrte, hat die Beklagte substantiell vorgetragen. Das Bestreiten der Klägerin ist hingegen nicht ausreichend. Aus dem Grundsatz des Internationalen Privatrechts, dass das angerufene Gericht sein eigenes Verfahrensrecht anzuwenden hat, folgt, dass sich die prozessualen Anforderungen hierfür aus den Beweisregeln der lex fori, vorliegend also der ZPO, ergeben4.
Das Landgericht Köln vermochte die Verbrennung der Klägerin nicht mit ihrem Sachvortrag zum Schadenshergang in Einklang zu bringen, da es sich außerstande sieht, sich die Lokalisation der Verbrennungen anders zu erklären, als entsprechend dem Beklagtenvortrag mit einer stark zurückgeneigten Sitz- bzw. Liegeposition der Klägerin beim Verzehr der Suppe. Auf Basis des Beklagtenvortrags ist nachvollziehbar, dass in dieser Position ein Umkippen der Suppenschale bei dem Versuch des Verzehrs der Suppe möglich ist. In dieser Position ist es plausibel, dass die Suppe nach dem Umkippen der Schale aufgrund der nach hinten abgesenkten Position des Oberkörpers unmittelbar den hier in Rede stehenden Brustbereich getroffen hat. Die klägerische Behauptung einer aufrechten Sitzposition während des Verzehrs entbehrt der Plausibilität. Einmal den klägerischen Vortrag als wahr unterstellt, dass die Porzellanschale tatsächlich derart brühend heiß war, dass sich die Klägerin – bei ebenfalls unterstellter aufrechter Sitzposition – beim Anheben hieran die Finger verbrannte, so dass die Schale aufgrund einer Schmerzreaktion umkippte, hätte sich die Suppe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf die Brust der Klägerin ergossen. Denn ein Anheben bis zu dieser Höhe wäre bei brühend heißer, Fingerverbrennungen verursachender Porzellanschale gar nicht möglich gewesen. In diesem Fall wäre es sofort mit dem Anfassen der Schale zu einer Schmerzreaktion mit der etwaigen Folge eines Umkippens der Schale gekommen.
Letztlich kann die genaue Sitzposition der Klägerin sogar dahinstehen, was sich aus Folgendem ergibt – so das Landgericht Köln weiter:
Hätte die Klägerin sich in einer aufrechten Sitzposition befunden, dann hätte sie den Unfall bei auch im Übrigen gehöriger Aufmerksamkeit vermeiden können. In diesem Falle hätte sie zunächst die Verpflichtung gehabt, die Temperatur der Suppe sowie der Porzellanschale zu überprüfen. Aufgrund der besonderen Zubereitungsgegebenheiten in einem Flugzeug muss damit gerechnet werden, dass die Schale und/oder die Suppe unter Umständen auch eine stark erhöhte Temperatur aufweisen kann. Es ist also besondere Vorsicht an den Tag zu legen. Dies liegt daran, dass damit zu rechnen ist, wie im Übrigen auch bei einem Verzehr, der nicht auf einem Flug geschieht, dass sich die Temperatur der erhitzten Suppe auf die Porzellanschale überträgt. Dieser physikalische Zusammenhang ist naheliegend und bedarf keiner besonderen naturwissenschaftlichen Vorkenntnisse. Dementsprechend prüft man ja auch vor dem erstmaligen Verzehr einer Suppe, insbesondere anlässlich einer Flugreise mit den spezifischen Zubereitungsgegebenheiten, ob die Suppe gefahrlos gegessen werden kann, oder, ob sie noch zu heiß ist. Entsprechende Prüfpflichten ergeben sich in Bezug auf das die Suppe umschließende Porzellan. Auch hier muss wegen des o.g. physikalischen Zusammenhangs immer geprüft werden, ob man eine Suppenschale anheben kann. Bevor man das nicht überprüft hat, ist es als äußerst fahrlässig anzusehen, eine Suppenschale anzuheben und damit aufgrund der möglichen Schreckreaktion die Gefahr eines Verschüttens der potentiell heißen Suppe zu riskieren.
Das bedeutet, dass selbst den Vortrag der Klägerin zu der heißen Suppe und eine aufrechte Position als gegeben unterstellt, sie ein Mitverschulden trifft, das die Haftung der Beklagten ausschließt.
Die Klägerin hat nichts dazu vorgetragen, dass sie die – bei von ihr vorgetragener und hier einmal unterstellter aufrechter Sitzposition – die v.g. Prüfungsschritte vollzogen hat. Aus ihrem Vortrag ergibt sich, dass sie die Schale in einer Bewegung zum Mund geführt hat. Sie hat also selbst vorgetragen, die Temperatur der Schale nicht vor dem Anheben überprüft zu haben.
Hätte die Klägerin die o.g. Überprüfung vorgenommen, dann wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Dann hätte sie, ihren eigenen Vortrag als richtig unterstellt, dass die Suppe bzw. das Gefäß sehr heiß waren, diesen Zustand bemerkt und die Suppenschale dann gar nicht erst angehoben. Das hätte zur Folge gehabt, dass die behauptete Schmerzreaktion und das spätere Umkippen der Schale ausgeblieben wären.
Soweit die Klägerin behauptet, die Nachsorge an Bord sei verspätet sowie unzureichend gewesen, trägt sie nichts dazu vor, dass daraus ein eigener Schaden entstanden oder der schon eingetretene Schaden vergrößert worden ist.
Etwaige Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder aus unerlaubter Handlung scheitern ebenfalls an dem nach § 254 BGB anzurechnenden Mitverschulden der Klägerin. Der Sache nach ergibt sich kein Unterschied, ob Art. 20 MÜ oder § 254 BGB zur Anwendung gelangt ((Förster in: Beck’scher Online Großkommentar, Art. 20 MÜ, Stand: 01.01.2021, Rn. 14)=.
33II. Aus den vorstehenden Gründen ist zugleich auch d