Darf ein Verein auf einem öffentlichen Platz eine Skulptur aufstellen, die an den Völkermord an Armeniern erinnern soll?
Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem Eilverfahren entschieden, dass ein Verein keinen Anspruch gegen die Stadt Köln hat, eine solche Skulptur stehen zu lassen.
Worum ging es?
Der Verein und eine Bürgerinitiative hatten die Skulptur am 24.04.2022 nach einer Gedenkfeier am Heinrich-Böll-Platz in der Nähe des Reiterstandbildes Kaiser Wilhelms II. stehen lassen. Eine vorherige Erlaubnis der Stadt Köln war nicht eingeholt worden.
Mit ihrem Eilantrag wollten die Antragsteller verhindern, dass die Stadt Köln die Skulptur sofort wieder entfernt, wie dies bereits im Jahr 2018 geschehen war. Die Bürgerinitiative und der Verein versuchen seit mehreren Jahren, die Stadt Köln dazu zu bewegen, die Skulptur an einem geeigneten Ort aufzustellen zu dürfen.
Die beantragte Eilentscheidung sollte bewirken, dass die Skulptur bis zu einer Entscheidung der Stadt über diverse Anregungen und Eingaben stehen bleiben kann.
Die Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht Köln hat dem Antrag nicht stattgegeben.
Die Antragsteller hatten beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Skulptur „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ auf dem Heinrich-Böll-Platz, Köln in Höhe des Reiterstandbildes Kaiser Wilhelm II. zu entfernen, bevor die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Veränderung des Reiterstandbildes Kaiser Wilhelm II. durchgeführt ist und über die Bürgeranregungen vom 18. Mai 2021 und 16. Juni 2021 entschieden worden ist.
Soweit hier eine Initiative beteilgt war, hat das Verwaltungsgericht Köln den Antrag bereits aus formalen Gründen zurückgewiesen.
In der Sache selbst ist das Verwaltungsgericht Köln zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antrag jedenfalls unbegründet ist. Gem. § 123 Abs.1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und -anspruch sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 924 ZPO.
Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch, so das Verwaltungsgericht Köln.
Die Antragstellerin zu 1. (der Verein) hat keinen Anspruch darauf, dass die Skulptur im öffentlichen Straßenland stehen bleibt. Vielmehr ist die Antragsgegnerin (die Stadt Köln) gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW berechtigt, die Skulptur zu entfernen.
Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird, den rechtswidrigen Zustand auf Kosten des Pflichtigen beseitigen oder beseitigen lassen, wenn Anordnungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder nicht erfolgversprechend sind. Ein Einschreiten nach dieser Vorschrift ist dabei bereits dann möglich, wenn eine erforderliche Sondernutzungserlaubnis fehlt, sofern nicht von vornherein ersichtlich ist, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis besteht ((Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn. 466; OVG NRW, Beschluss vom 16.05.2017 – 7 B 426/17)).
Hier hat die Antragstellerin zu 1. – unstreitig – keine Sondernutzungserlaubnis und die Erteilung einer solchen Erlaubnis wäre notwendig gewesen. Denn beim Heinrich-Böll-Platz handelt es sich um eine öffentlich gewidmete Fläche und das Aufstellen einer Skulptur ist als Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus und damit als Sondernutzung i. S. d. § 18 StrWG NRW zu qualifizieren1.
Die Aufstellung der Skulptur kann auch nicht im Rahmen der sog. kommunikativen Nutzungen vor dem Hintergrund der Meinungs- oder Kunstfreiheit als Gemeingebrauch angesehen werden. Weder die Meinungs- noch die Kunstfreiheit schützen das Recht, an beliebigen Stellen sperrige Gegenstände aufzustellen, die dauerhaft in den öffentlichen Straßenraum hineinragen. Denn solche sperrigen Gegenstände lösen Nutzungskonflikte aus, die im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens abgearbeitet werden müssen2.
Hier ist auch nicht von vornherein ersichtlich, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis besteht. Einem solchen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis steht schon entgegen, dass die Antragstellerin zu 1. hier entgegen § 22 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW keinen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gestellt hat und auch weder ersichtlich noch vorgetragen ist, dass die von der Antragstellerin zu 1. angeführten Schreiben an die Antragsgegnerin als derartige Anträge ausgelegt werden könnten.
Auch in der Sache ist hier nicht von vornherein ersichtlich, dass das der Antragsgegnerin nach § 18 StrWG zustehende Ermessen dahingehend auf Null reduziert ist, dass die Antragsgegnerin eine Sondernutzungserlaubnis erteilen müsste. Gegen eine solche Ermessensreduzierung auf Null spricht schon, dass die genannte Skulptur an prominenter Stelle erheblich in den öffentlichen Straßenraum hereinragt; unerheblich ist insoweit ob sie im Boden verankert ist oder nicht. Dass die Antragsgegnerin in vergleichbaren Fällen eine Sondernutzungserlaubnis erteilt hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die von der Antragstellerin zu 1. bemühten Vergleichsfälle beziehen sich auf faktische Duldungen.
Weiter war hier der Erlass einer Anordnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr nicht erfolgversprechend, so das Verwaltungsgericht Köln weiter. Denn wie dieses Verfahren zeigt, hätte sich die Antragstellerin zu 1. gegen eine solche Anordnung gerichtlich gewehrt, und zwar mit den nämlichen Argumenten, wie sie hier vorgetragen werden. In einer solchen Situation die Antragsgegnerin auf den Erlass einer Anordnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW zu verweisen, würde zu einer leeren Förmelei führen, die auch dem materiellen Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin zu 1. nicht Rechnung tragen würde.
Ein Vorgehen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW wäre hier auch ermessensfehlerfrei. Dies gilt auch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG bezüglich der von der Antragstellerin zu 1. angeführten „Stolpersteine“. Dabei kann dahinstehen, ob das Aufstellen der „Stolpersteine“ überhaupt eine Sondernutzung darstellt bzw. ob es sich insoweit um eine Sondernutzung nach § 23 StrWG NRW handelt3.
Jedenfalls fehlt es insoweit an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte im Hinblick auf die im Bereich des Straßen- und Wegerechts maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere dem der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs. Die „Stolpersteine“ nehmen das öffentliche Straßenland nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln deutlich weniger in Anspruch als die hier in Rede stehende Skulptur. Vor allem führen die bündig zum Gehweg verlegten „Stolpersteine“ nicht zu einer Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs, was bei der Skulptur der Fall ist. Auch wenn die Skulptur nicht unmittelbar auf dem Fußweg liegt, der zur Hohenzollernbrücke führt, handelt es sich um Straßenland, das dem Fußgängerverkehr gewidmet ist1.
Soweit die Antragstellerin zu 1. sich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG darauf beruft, die Antragsgegnerin habe sich im Fall der Spur mit weißer Farbe mit dem Schriftzug „Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti“ sowie der Bahnschwelle der Initiative „Die Bahn Erinnern“ jeweils nachträglich mit einer (jedenfalls im Fall der Spur modifizierten) Anbringung im öffentlichen Straßenraum einverstanden erklärt, kann im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unentschieden bleiben, ob dies tatsächlich in jedem der genannten Fälle zutrifft und welche Erwägungen für die Antragsgegnerin leitend waren. Jedenfalls lässt sich daraus keine Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin des Inhalts ableiten, dass unerlaubt aufgestellte Mahnmale stets zunächst im öffentlichen Straßenland geduldet werden und sodann geklärt wird, ob eine Erlaubnis erteilt werden kann1.
Bei allem Verständnis für das Anliegen der Antragstellerin zu 1. ist nicht angängig, so das Verwaltungsgericht köln weiter, sperrige Gegenstände ohne die Erteilung einer straßenrechtlichen Erlaubnis „einfach so“ in den öffentlichen Straßenraum zu stellen. Soweit die Antragstellerin zu 1. sich auf die diversen Schreiben an die Bürgermeisterin sowie verschiedene Ratsfraktionen der Antragsgegnerin bezieht und eine nicht ordnungsgemäße Behandlung dieser nach ihrer Ansicht als Bürgeranregung i. S. v. § 24 GO NRW rügt, liegt dies jedenfalls im Hinblick auf den Streitgegenstand dieses Verfahrens – eine Sondernutzung des öffentlichen Straßenraums – neben der Sache.
Der hilfsweise gestellte Antrag,
der Antragsgegnerin zu untersagen, die Skulptur zu entfernen, bevor über die Anerkennung der Skulptur als Denkmal – Antrag vom 24.4.2022 an die Denkmalbehörde der Antragsgegnerin – entschieden worden ist,
ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln ebenfalls unbegründet. Es fehlt insoweit ebenfalls an einem Anordnungsgrund, wie sich aus dem zuvor Gesagten ergibt. Die von der Antragstellerin zu 1. bemühten denkmalrechtlichen Gesichtspunkte ändern daran nichts. Denn das Denkmalrecht gibt nichts für Rechte her, Denkmäler ohne straßenrechtliche Erlaubnis im öffentlichen Straßenraum aufzustellen bzw. stehen zu lassen. Vielmehr sind die Rechte und Pflichten aus dem Denkmalrecht grundsätzlich zunächst allein an die Eigentümer der Denkmäler – also hier an die Antragstellerin zu 1. selbst – adressiert (z.B. §§ 7, 8, 9 DSchG NRW). Soweit vertreten wird, dass die denkmalrechtlichen Pflichten sich auch an die öffentliche Hand richteten, geht es dabei nur um akzessorische Erhaltungspflichten, die neben den Pflichten des Eigentümers bestehen4.
Dementsprechend liegt, soweit sich die Antragstellerin zu 1. in dem Schreiben auf § 9 DSchG i. V. m. § 26 DSchG stützt, hierin schon ein Widerspruch zu ihrem Antragsbegehren, denn diese Vorschriften regeln die Erlaubnis zur Beseitigung, Veränderung, Verbringung oder Nutzungsänderung eines „Denkmals“, mithin genau das Gegenteil des auf den Verbleib der Skulptur gerichteten Antragsbegehrens. Das Nämliche gilt, soweit sich die Antragstellerin zu 1. auf die vorläufige Unterschutzstellung gem. § 4 DSchG bezieht. Selbst wenn die hier streitgegenständliche Skulptur vorläufig unter Schutz gestellt werden würde, würde daraus nur die Pflicht der Antragstellerin zu 1. folgen, die Skulptur aus eigener Macht nicht ohne Erlaubnis zu beseitigen, zu verändern, zu verbringen oder dessen Nutzung zu ändern. Verpflichtungen der Antragstellerin zu 1. nach dem StrWG NRW bleiben hingegen davon unberührt. Denkmalrechtliche Gesichtspunkte mögen allenfalls im Rahmen der Frage, ob eine Sondernutzungserlaubnis nach § 18 StrWG NRW erteilt wird oder nicht, eine Rolle spielen.
Im Übrigen fehlt es insoweit an einem Anordnungsgrund, d.h. an der diesbezüglichen Eilbedürftigkeit einer einstweiligen Anordnung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Entfernung der Skulptur durch die Antragsgegnerin den gegebenenfalls bestehenden – und im entsprechenden Verwaltungsverfahren zu prüfenden – Anspruch der Antragstellerin zu 1. auf Unterschutzstellung der Skulptur endgültig vereiteln würde. Denn es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Skulptur durch die Entfernung Schaden nehmen würde; sie könnte daher im Falle einer Unterschutzstellung wieder – gegebenenfalls sogar wieder an eben diesem Orte – aufgestellt werden.
Verwaltungsgericht Köln, Beschluss vom 05.05.2022 – 21 L 700/22
ECLI:DE:VGK:2022:0505.21L700.22.00
Hinweis:
Die Antragstellerin hat Nichtzulassungbeschwerde zum Oberverwaltungsgericht Münster erhoben (OVG Münster – 11 B 583/22).
- VG Köln, Beschluss vom 19.04.2018 – 18 L 906/18 [↩] [↩] [↩]
- VG Köln, Beschluss vom 19.04.2018 – 18 L 906/18; Sauthoff, Öffentliche Straßen, . Aufl. 2020, Rn. 329, 332 [↩]
- BayVGH, Beschluss vom 15.12.2017 – 8 ZB 16.1814 [↩]
- Davydov, in: Davydof, Hönes, Otten, Ringbeck, Denkmalschutzgesetz NRW, 5. Aufl. 2016, § 7 Rn. 3 [↩]